Der aus Kalabrien stammende, 43jährige Angelo Scutellà steht im Kampf. Seit 20 Tagen hält er, zusammen mit 95 weiteren Arbeiterinnen und Arbeitern den Sitzungssaal der Gemeinde Vibo Valentia besetzt. Er ist ein Prekärer, der seit mehr als einem Jahr keinen Lohn mehr erhalten hat und mit seinen Kollegen darum kämpft, einen Arbeitsplatz zurück zu bekommen, der ihm, wenn es klappt, 400 Euro im Monat einbringen wird. Das Arbeitsministerium ist über alles auf dem Laufenden, aber es fällt ihm schwer eine Lösung zu finden und das Misstrauen von Scutellà und den anderen 95 gegenüber der Regierung Prodi wächst.
Vicenza: Die Jugendlichen der Bewegung „No Dal Molin“ durchbrachen vor einigen Tagen als der US-Botschafter in Italien, Ronald Spoglio, in der Presse erklärte, dass die italienische Regierung ihm bereits die schriftliche Einwilligung zum Ausbau der Basis gegeben habe, die Schutztore zum Flughafen und manifestierten dann überall ihre sakrosante Wut gegen Prodi und forderten, dass der PRC sich nicht länger zum Komplizen einer derart pro-atlantischen und Bushs Befehlen gegenüber unterwürfigen Regierung macht.
Angelo Scutellà und die Jugendlichen aus Vicenza repräsentieren inzwischen ein ganzes Volk, das von der Regierung Prodi enttäuscht ist. Ein Volk, das dabei ist ihr den Rücken zu kehren, was zur Verödung der italienischen Linken sowie zu einer Krise Rifondazione Comunistas führen kann.
Eine Bilanz über die entstandene Situation lässt sich bereits ziehen: Die Mitte-Linke löst sich auf und der PRC hat sein Wahlergebnis halbiert. Bei der separaten Anti-Bush-Kundgebung am 9.Juni 2007 war die Piazza del Popolo (Platz des Volkes) in Rom ohne Volk und diese besorgniserregende Leere wurde von den Linkskräften und den führenden Funktionären des PRC kontrolliert, die bis vor wenigen Jahren, das heißt vor der regierungsfixierten Wende des Parteitages in Venedig die Bannerträger der Beziehung zur Bewegung waren. Dieselbe Leere wie auf der Piazza del Popolo breitet sich in den Parteizirkeln von Rifondazione aus. Einer Partei in der Identitätskrise, mit einer Basis, die keine Lust mehr auf Aktivität hat, leidenschaftslos und planlos ist.
Mittlerweile ist es allerdings Zeit für eine strukturellere Bilanz, verbunden mit einer ernsthaften Analyse der Phase, die wir durchmachen. Einer Phase, die sich weniger durch die etwas konfuse Kategorie der Globalisierung als viel mehr durch die wissenschaftlichere Kategorie der globalen Konkurrenz definieren lässt. Die imperialistischen Pole, die weltweiten kapitalistischen Kräfte durchleben eine Phase sehr harter ökonomischer Auseinandersetzung um die Eroberung der Märkte. Und die Senkung der Warenkosten ist ein Ergebnis, das nur durch die Senkung der Löhne, die Reduzierung der Rechte und das Schleifen des Sozialstaates zu erreichen ist. Innerimperialistische Widersprüche also, die ganz bewusst antisoziale und arbeiterfeindliche Politiken verfolgen und die – in dieser Phase – keinen Kompromiss zwischen Kapital und Arbeit, d.h. neo-keynesianistische und sozialdemokratische Wege, auf die Tagesordnung setzen. Sogar eine reformistische Politik ist heute keine spontane Frucht mehr, die sich vom sozialen Baum ernten lässt. Allenfalls ließe sie sich mit Hilfe einer Politik durchsetzen, die eindeutig gegen den Strom schwimmt und mit Mut lanciert werden müsste. Die Regierung Prodi ist dies nicht, war dies nicht und wird es nicht sein. Ihre Sozialpolitik ist durch die Maastrichter Diktate und durch die Interessen des Industriellenverbandes Confindustria gekennzeichnet. Und ihrer Außenpolitik ist es nicht gelungen, sich von der Herrschaft der USA und der NATO zu befreien.
In politikasterhaften Begriffen ausgedrückt, lässt sich die Linie der Regierung Prodi in D’Alemas These zusammenfassen, der zufolge man gewinnt, wenn man in die Mitte rückt und moderate Positionen sowie einen abgemilderten Wirtschaftsliberalismus vertritt. Bezogen auf die gegebene Phase, die zu einer antisozialen Politik drängt und nicht spontan die Umverteilung des Einkommens vorschlägt, besteht D’Alemas These (bzw. heute die These der gesamten Demokratischen Partei) in der Akzeptanz der Herrschaft des Kapitals über die Arbeit.
Wie hat sich der PRC bislang zu all dem verhalten? Er hat den moderaten politischen Horizont der Regierung Prodi als unabwendbar akzeptiert, auf soziale und Kämpfe der Bewegung als einziger Möglichkeit, um die Regierungsachse nach links zu verschieben und gleichzeitig die Einheit der alternativen Linken in der Praxis zu schaffen, verzichtet. (Aber war das nicht eigentlich Bertinottis These in Venedig: Gehen wir in die Regierung, dann werden wir und die Bewegungen weitersehen?) Desweiteren hat er als Ausweg aus der Krise die Aufgabe des ursprünglichen Projekts der kommunistischen Neu(be)gründung zugunsten eines neuen, im wesentlichen sozialdemokratischen Projektes vorgeschlagen.
Es ist paradox, dass der PRC, der in der schwierigsten Phase der kommunistischen, antikapitalistischen und revolutionären Bewegung entstanden ist (der Krise von 1989) in der Phase des Aufschwungs der großen antiimperialistischen Kämpfe und der neuen Versuche eines Übergangs zum Sozialismus, wie in Chavez’ Venezuela und in anderen lateinamerikanischen Ländern, sterben kann. Und es ist paradox, dass er in der Phase begraben werden kann, in der der Kapitalismus der globalen Konkurrenz auch (und in vielerlei Hinsicht vor allem) in Europa den entschiedensten Zyklus des Klassenkampfes gegen die Arbeiterbewegung insgesamt entwickelt. Gerade dies ist jedoch die Zeit der Kommunisten, ihrer klassenbewussten Antwort und der Neuauflage ihres strategischen Projekts der Überwindung des Kapitalismus.
Bertinotti hat auf dem Konvent der Europäischen Linken die Überwindung des PRC im neuen „Roten Ding“ vorgeschlagen und mit Nachdruck erklärt: „Macht es! Wenn nicht, läuft man Gefahr von der Bildfläche zu verschwinden!“ Es hat nicht näher ausgeführt, wie man es machen soll, mit welchen strategischen Zielen man es machen soll und warum man Gefahr läuft, von der Bildfläche zu verschwinden.
Dennoch scheint klar, dass man das „Rote Ding“ innerhalb der Regierungsdynamik aufbauen will. Mit derselben Regierung, deretwegen die Arbeiter in Vibo Valentia und die Jugendlichen in Vicenza leiden. Es scheint klar, dass man es mit Hilfe einer genetischen Mutation machen will, indem man die Politik und die Kultur der Kommunisten derjenigen von Mussis Sozialdemokraten anpasst. Und wenn es so ist, wird klar, warum Bertinotti sich nicht die Mühe macht, uns zu erklären und sich selbst zu erklären, warum man – nun – Gefahr läuft zu verschwinden. In Wirklichkeit geht man dieses Risiko ein, weil die italienische Linke und die Kommunisten dabei sind mit ihrer Geschichte, mit ihrer historischen und sozialen Rolle und mit dem sozialen Block zu brechen, auf den sie sich beziehen. Und die Rückgewinnung / Sanierung kann nicht über politikasterhafte Operationen laufen, die auf eine Einheit auf sozialdemokratischen Grundlagen setzt und auf eine neue Regierungsfixiertheit ausgerichtet ist, während der Verzicht auf die Veränderung der Rückkehr der Rechten den Weg ebnet und die Opposition genau wie der soziale Konflikt Gefahr laufen der extremen Rechten in die Hände zu fallen.
Die Einheit auf der Linken ist richtig und notwendig. Wenn der Preis, der dafür bezahlt werden soll, aber das Verschwinden der radikalsten antikapitalistischen, das heißt der kommunistischen, Komponente ist, dann sind wir nicht mehr bei der Einheit, sondern beim strategischen Sieg des historisch gesehen gemäßigten, das heißt des sozialdemokratischen, Teils der Arbeiterbewegung.
Ist es dass, was der italienische Arbeiterbewegung, der Friedensbewegung und der Bewegung der Bewegungen heute nützt? Oder ist heute eine organisatorisch und kulturell autonome kommunistische Partei von Nutzen, die durch eine tief greifende politische und kulturelle Innovation gekennzeichnet und darauf ausgerichtet ist, eine revolutionäre Kraft auf die Beine zu stellen, die mit doppeltem Faden mit der Arbeiterbewegung und den Bewegungen verbunden und in der Lage ist mit einer klassenbewussten (und damit verbunden einheitsorientierten) Politik die gesamte alternative Linke um fortgeschrittene Positionen und Ziele herum zu vereinen, die auf eine soziale Transformation abzielen?
Denken wir mal darüber nach: Wenn der PRC, seine kritische Masse und seine treibende Rolle nicht existieren würden, könnte man dann von einer Einheit auf der Linken sprechen? Gerade die Präsenz der Kommunisten und ihr spezifisches Gewicht ist die erste Bedingung für eine solche Einheit.
Auf der Linken entstehen viele Baustellen, aber keine scheint besonders beliebt und bevölkert zu sein. Warum nehmen wir nicht wieder unsere eigene Baustelle in Betrieb. Jene, die uns so begeistert und geeint hatte. Jene, aus der eine neue Hoffnung entstanden war. Eine Baustelle, die in der Lage ist, alle Kommunisten zu vereinen, sich wieder als Bezugspunkt der Bewegungen anzubieten und die gesamte Linke, ohne gefährliche Beseitigungen reformistischer und revolutionärer Identitäten, zu fortgeschrittenen Positionen zu drängen? Warum nehmen wir, statt einer neuen Wende von Bolognina durchzuführen, nicht wieder die Baustelle von Rifondazione Comunista in Betrieb?
*PRC-Senator und Direktor von „L’Ernesto“
Vorbemerkung, Übersetzung und Einfügungen in eckigen Klammern: Rosso